Häusliche Gewalt: Wenn das himmlische Fest zur persönlichen Hölle wird

Im Advent und während der Weihnachtsfeiertage häufen sich die Fälle partnerschaftlicher Gewalt

Monika H. (31) atmet auf. Endlich ist ihr Mann auf Geschäftsreise und sie ist sicher - zumindest für ein paar Tage. Mit Schrecken denkt sie zurück an den letzten Abend: Der Nachmittag mit den beiden Kindern war turbulent. Das gemeinsame Plätzchen backen hat länger gedauert, die Küche wie auch die Kinder waren noch mit Teigresten verklebt, als ihr Mann nach Hause kam. Für die Vorbereitung des Abendessens war noch keine Zeit gewesen. Es folgte, was sie nur zu gut kennt: Vorwürfe, Beschimpfungen, Beleidigungen und schließlich musste sie sich im Bad einsperren, um den Schlägen und Tritten ihres Mannes zu entkommen. Monika hat schon oft an Trennung gedacht, aber sie hat Angst, den Alltag als Alleinerziehende nicht meistern zu können. Außerdem will sie ihren Kindern den Papa erhalten. Also beißt sie ein weiteres Mal die Zähne zusammen und hält die Situation aus - den Kindern zuliebe. Doch die Schläge werden immer massiver. Auch die Kinder merken, dass etwas nicht stimmt. Der neunjährige Nick hat große Probleme, sich in der Schule zu konzentrieren und zieht sich sehr zurück. Seine fünfjährige Schwester hat immer mehr Konflikte im Kindergarten.

Elfriede (57) ist seit über 30 Jahren mit Rolf verheiratet. Als Schlampe, Hure und Nichtsnutz bezeichnet zu werden, ist ein Teil ihres Alltags geworden. Über ihr Einkommen kann sie nicht verfügen - ihr Mann kontrolliert akribisch sämtliche Einkäufe. Alleine aus dem Haus gehen kann sie nur selten. So werden die Weihnachteinkäufe jedes Jahr wieder zu einer Belastungsprobe. Als es an einem Samstagnachmittag im Advent wieder einmal zu einem lautstarken Streit kommt, informieren Nachbarn die Polizei. Elfriede wird von diesen auf die Möglichkeiten der Beratung durch die Interventionsstelle Landkreis München hingewiesen. Erst jetzt erkennt sie, dass sie jahrelang in einer Gewaltbeziehung gelebt hat - obwohl Rolf sie nie geschlagen hat.

Die Erlebnisse von Monika und Elfriede sind nur zwei Beispiele für Situationen, die sich tagtäglich viele Male ereignen. Gerade in der vermeintlich ruhigen und besinnlichen Vorweihnachts- und Weihnachtszeit nehmen die Fälle von Gewalt in Beziehungen und Familien zu. Die Gründe dafür sind vielfältig: Der Druck in den Familien ist hoch, es gibt viele Termine einzuhalten, Geschenke müssen besorgt, Plätzchen gebacken werden. Die Kinder sind aufgeregt, die Eltern gestresst, die Nerven liegen blank. Oft entlädt sich dieser Druck dann in unschönen Worten und auch Taten.

Häusliche Gewalt hat viele Facetten

Der Fachbegriff für das, was Monika und Elfriede erlebt haben, ist "häusliche Gewalt". Dabei geht es vielen Opfern wie Elfriede. Sie begreifen erst spät, dass häusliche Gewalt nicht nur Schlagen ist. Auch Demütigungen, Bedrohungen, Einsperren, Beleidigungen, Kontrollieren und Einschüchtern gehören dazu.

Die Geschichten von Monika und Elfriede sind keine Einzelfälle: "Jede vierte Frau hat bereits mindestens einmal in ihrem Leben körperliche, sexuelle oder psychische Gewalt durch einen Lebenspartner erfahren", berichtet Maria Weinzierl, Leiterin der Interventionsstelle Landkreis München (ILM). Gemeinsam mit ihren Fachberaterinnen hat sie Monika und Elfriede geholfen, aus ihren Gewaltbeziehungen auszubrechen, und kennt die zahlreichen schlimmen Folgen häuslicher Gewalt: "Auf Kinder, die in Beziehungen mit Partnerschaftsgewalt aufwachsen und diese miterleben, hat dies vielfältige und massive Auswirkungen: Sie werden von Hilflosigkeit, Angst und Schuldgefühlen geplagt. Oft sind sie sogar der Meinung, sie seien schuld am Streit der Eltern. Nicht selten werden sie selbst Opfer von Übergriffen", so Weinzierl.

Aber auch Männer werden immer wieder Opfer häuslicher Gewalt. Häusliche Gewalt kommt in allen sozialen Schichten, unabhängig von Einkommen, Nationalität, Beruf und Religion vor.

Interventionsstelle Landkreis München bietet Beratung und Prävention

Opfer von Partnerschaftsgewalt ziehen sich häufig vollkommen zurück und verheimlichen, was ihnen angetan wird. Sie hoffen, die Beziehung retten zu können, indem sie sich anders verhalten. Dabei geraten sie in einen Teufelskreis - denn solange Opfer, die Gewalt erfahren, still halten, stehen die Chancen schlecht, dass der Partner sich ändert. Nur selten gelingt der Ausstieg aus der Spirale der Gewalt ohne Hilfe von außen. Elfriede und Monika ist dies mit Hilfe der Beraterinnen der Interventionsstelle Landkreis München (ILM) gelungen. Die Fachberatungsstelle für Opfer von häuslicher Gewalt bietet sowohl Beratung als auch Prävention an.

Die Beratung der Interventionsstelle Landkreis München ist kostenlos, freiwillig, vertraulich und auf Wunsch anonym. Die Fachberaterinnen nehmen sich Zeit für die Erhebung der individuellen Situation der Betroffenen, bieten Informationen zu Schutz und Sicherheit, zu den Möglichkeiten des Gewaltschutzgesetzes und der Unterbringung in Frauenhäusern, entwickeln gemeinsam Ziele und Perspektiven und unterstützen bei der Einleitung und Umsetzung weiterer Schritte. Auch Nachbarn, Erzieherinnen, Lehrerinnen, Freunde oder sonstige Personen aus dem Umfeld von Betroffenen können sich bei Fragen an die Interventionsstelle Landkreis München wenden.