Pressekonferenz zum Thema Asyl

Landrat Christoph Göbel informiert über die gegenwärtige Situation und gibt einen Ausblick in die Zukunft

"Die Verhältnisse ändern sich nahezu stündlich." Mit diesen Worten leitete Landrat Christoph Göbel die kurzfristig einberufene Pressekonferenz zur aktuellen Lage in punkto Asylbewerberunterbringung ein.

"Schnee von gestern"

Nur ein paar Stunden später sollte sich diese Aussage einmal mehr bewahrheiten: Die Regierung kündigte dem Landratsamt 400 neue Asylbewerber für das kommende Wochenende an, die in die gerade erst provisorisch hergerichtete und nur auf ein bis drei Tage Betrieb ausgelegte Erstaufnahmeeinrichtung in Keferloh kommen sollen. Damit wäre die Maximalkapazität der Hallen von 700 Plätzen erschöpft. Während man an der einen Stelle im Landratsamt gerade noch überlegte, wie man nach dem Großeinsatz den vielen freiwilligen Helfern bei Aufbau und Betrieb der Unterkunft danken könnte (wir berichteten), griff man im Nebenzimmer schon wieder zum Telefonhörer und bat um noch mehr Unterstützung.

Doch auch die regelmäßigen Zuweisungen von derzeit ca. 90 Asylbewerbern pro Woche haben den Landkreis längst an die Kapazitätsgrenze gebracht, berichtete der Landrat den Journalisten am Nachmittag. Feste Unterkünfte seien derzeit nicht verfügbar; Turnhallen und Traglufthallen dienten daher als Notunterkünfte, so Göbel.

Planzahl 9000

Bis Ende 2015 muss der Landkreis 5361 Asylsuchende untergebracht haben. "Wir gehen davon aus, dass sich die Situation 2016 nicht wesentlich ändern wird und richten unsere Planungen jetzt auf eine Zahl von insgesamt 9000 Flüchtlingen aus, die bis Ende nächsten Jahres im Landkreis eine Unterkunft brauchen." Die meisten Menschen, die es bis nach Deutschland geschafft haben, werden voraussichtlich dauerhaft hier bleiben. "Schon allein deshalb lohnt sich die Integration der Leute vom ersten Tag an", so der Landrat. Daher sei es ihm auch weiterhin so wichtig, die Asylsuchenden entsprechend der Einwohnerzahl der Kommunen mehr oder weniger gleichmäßig über den Landkreis zu verteilen.

Immer größer wird auch die Anzahl allein reisender Jugendlicher. Bis Jahresende werden mehr als 320 der so genannten unbegleiteten Minderjährigen (uM) im Landkreis erwartet. Auch hier ist der Landkreis im Zugzwang und muss schnell größere Lösungen schaffen. So hat man sich entschieden, die Burg Schwaneck, in der der Kreisjugendring München Land (KJR) eine Jugendherberge, Jugendbildungsstätte und daneben ein Naturerlebniszentrum betreibt, für die Unterbringung der geflüchteten Jugendlichen zu nutzen. Der Betrieb der Jugendherberge muss daher ausgesetzt, Bildungsangebote müssen in andere Einrichtungen verlegt werden. Auf dem Gelände der Jugendbegegnungsstätte (JBS) in Oberschleißheim werden einmal mehr Containerunterkünfte errichtet. Hier sollen die schon etwas älteren Jugendlichen untergebracht und möglichst bald an Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten herangeführt werden. "Das sind für den KJR schmerzliche Einschnitte, umso dankbarer bin ich den Verantwortlichen für ihre große Kooperationsbereitschaft", so der Landrat.

Bei den Erwachsenen und Familien wird es angesichts der neuen Prognosen noch schwieriger, die Quoten zu erfüllen. Zwar sollen die Menschen, die derzeit behelfsmäßig in Turnhallen untergebracht sind, über kurz oder lang in die insgesamt sieben Traglufthallen umziehen. Doch wenn sich der Aufbau weiter verzögert und die Flüchtlingszahlen noch mehr zunehmen, müssen womöglich bald schon wieder andere Sporthallen zweckentfremdet werden.

Neue Wege gehen

Zwingend muss man daher auf die Nutzung größerer Projekte setzen. "Noch vor zwei Jahren waren für uns 60 bis 80 Personen in einer Unterkunft die maximal denkbare Zahl", so Landrat Christoph Göbel. Eine solche Menge an Unterkünften, wie sie jetzt gebraucht würden, zu errichten, übersteigt die Möglichkeiten des Landratsamtes. "Wir schaffen das mit unseren Kapazitäten nicht mehr." Daher hat der Landkreis ein Mietgesuch veröffentlicht, mit dem Ziel auf diesem Wege genügend hochwertige Unterkünfte von Kommunen oder Investoren anmieten zu können.

Auch die Einrichtung weiterer Gemeinschaftsunterkünfte der Regierung von Oberbayern, wie sie bereits in Höhenkirchen-Siegertsbrunn und Putzbrunn bestehen, ist eine Option. Der große Vorteil: Die Sozialbetreuung wird durch die Regierung organisiert und finanziert. Auf dem Bundeswehrgelände in Unterhaching wird darüber hinaus eine staatliche Erstaufnahmeeinrichtung entstehen. Dies hat zwar einerseits den Nachteil, dass damit die "gemeindliche Quote" gesprengt wird, der Vorteil aber ist, dass die Menschen nur für kurze Zeit in einer solchen Einrichtung bleiben, was sowohl die ehrenamtlichen Helfer als auch das Landratsamt entlasten würde. Denn um die allermeisten Belange der Flüchtlinge kümmert sich dort die Regierung von Oberbayern.

Als erstes entsteht jedoch auf dem Bundeswehrgelände eine Traglufthalle des Landkreises als dezentrale Notunterkunft, die hoffentlich Mitte September in Betrieb genommen werden kann.

"Stabsstelle Asyl" wird zum 1. Oktober eingerichtet

Die immer weiter wachsenden Aufgaben im Zusammenhang mit den größer werdenden Flüchtlingsströmen stellen das Landratsamt vor gewaltige Herausforderungen. Um diesen Aufgaben gewachsen zu sein, wird zum 1. Oktober eine neue Organisationseinheit die Arbeit aufnehmen. In der "Stabsstelle Asyl" sollen alle Aufgaben zusammengezogen werden, die sich unmittelbar der Unterbringung von Asylbewerbern widmen. Dabei soll auch eine Anlaufstelle etabliert werden, die sich allein den Anliegen der vielen Helferkreise annehmen kann.

Auch wenn die akuten Probleme, jeden Tag ausreichend Unterkunftsplätze bereitzuhalten, das momentane Tagesgeschäft bestimmen, denkt man im Landratsamt bereits an die weitere Zukunft: Die vom Landkreis geplanten und genutzten Asylbewerberunterkünfte haben eine maximale Laufzeit von zehn Jahren. Spätestens dann bedarf es einer großen Menge bezahlbarer Wohnungen - natürlich nicht nur für die Flüchtlinge, sondern genauso für Geringverdiener, einheimische junge Familien und Senioren. Sie alle brauchen die Unterstützung der Gesellschaft und der öffentlichen Hand.