Landkreis lässt Behördengeschichte in der NS-Zeit erforschen

Auf drei Jahre angelegtes Forschungsprojekt beleuchtet Struktur und Rolle des ehemaligen Bezirksamts München in der Zeit des Nationalsozialismus

Die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus wird in Deutschland intensiv geführt. Die Ursachen der Machtergreifung, die Analyse des NS-Regimes, die Hauptverantwortung für die Massenverbrechen, die Rolle der Propaganda und vieles mehr sind Gebiete, die gründlich erforscht wurden und werden. Auch einzelne Kommunen, Institutionen und Unternehmen stellen sich immer wieder ihrer Vergangenheit, um zu beleuchten, welche Auswirkungen das NS-Regime auf einzelne Lebensbereiche genommen hat, welchen Niederschlag es auf Kommunalpolitik und Verwaltung, auf Struktur und Wirken von Unternehmen und Einrichtungen hatte.

Landkreise sind bislang vergleichsweise selten Gegenstand der Geschichtsforschung dieser Zeit. Das möchte der Landkreis München jetzt ändern. Einstimmig sprach sich der Kreistag am vergangenen Montag, 24. September 2018, dafür aus, das Bezirksamt München, also den Vorläufer des heutigen Landratsamts, in der NS-Zeit im Rahmen eines Forschungsprojektes untersuchen zu lassen. Damit beauftragt wurde das Institut für Bayerische Geschichte der Ludwig Maximilians Universität München unter Leitung von Prof. Dr. Ferdinand Kramer.

Beitrag zur Aufarbeitung der bayerischen NS-Geschichte

Wie interessant die Rolle der Bezirksämter auch im Kontext der Erforschung der NS-Zeit in Bayern sein kann, führt Ferdinand Kramer bereits in seiner Projektbeschreibung aus. Ihre Überlieferung könnte nämlich unter anderem zu einem gewissen Grad Ersatz für die vernichteten Quellenbestände des Innenministeriums und der Kreisregierungen bieten und somit einen bedeutenden Beitrag zur allgemeinen NS-Geschichte in Bayern leisten.

Das Forschungsprojekt wird im Wesentlichen drei große Themenbereiche beleuchten. In einem ersten Modul soll die Behörde des Bezirksamts in der NS-Zeit behandelt werden. Wo lagen die Aufgaben- und Tätigkeitsfelder? Wie entwickelten sich die in der Bezirksordnung von 1928 festgelegten Kompetenzen? Wo wurde strikt ministeriellen Anordnungen gefolgt und wo wurden eigene Akzente gesetzt? Welche Stellung nahm das Bezirksamt im Herrschaftsgefüge des NS-Staates ein und welche Instanzen nahmen maßgeblich Einfluss?

In biographischen Skizzen werden ferner die Vorstände des Bezirksamts portraitiert und auch dargestellt, wie sich das Amt während der NS-Zeit verändert hat. Darüber hinaus werden Funktion und Rolle des Bezirkstags, des Vorgängers des heutigen Kreistags, Gegenstand des Forschungsprojekts sein.

Das Bezirksamt in der Nachkriegszeit

Ein zweiter Teil widmet sich dem Bezirksamt in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Wie gestaltete sich der Übergang des Bezirksamts München von der NS-Zeit über die Zeit der Besatzung bis hin zur Wiedererrichtung eines souveränen bayerischen und deutschen Staatswesens? Was wurde aus den Mitarbeitern des Bezirksamts? Wie war das Verhältnis des Spitzenpersonals der Verwaltung und des Kreistags zum Nationalsozialismus? Welche Spuren hat die NS-Zeit bis heute hinterlassen?

Der dritte Teil beschäftigt sich, wenn auch sehr begrenzt, ganz allgemein mit der NS-Zeit auf dem Gebiet des Bezirksamts München. Behandelt werden sollen unter anderem die Gliederung der NSDAP im Kreis München, das Verhältnis des Bezirksamts zu den Gemeinden, die Auswirkungen der nationalsozialistischen Rassenideologie sowie die Themen Widerstand und Verfolgung. Eine umfassende Betrachtung des kompletten Landkreises zur NS-Zeit würde das auf drei Jahre im Rahmen einer halben Stellen angelegten Forschungsprojekt bei weitem sprengen. Welche Themen in diesem dritten Modul ganz konkret näher erforscht werden sollen, wird sich erst im Laufe der Zeit herausstellen.

Landrat Christoph Göbel bedankte sich bei den Kreisräten für die breite Zustimmung zu diesem Projekt. "Ich freue mich, dass wir mit dem Institut für Bayerische Geschichte einen höchst kompetenten Partner für diese schwierige Aufgabe gefunden haben", so der Landrat weiter. Unmittelbarer Ansprechpartner beim Institut für Bayerische Geschichte wird der wissenschaftliche Mitarbeiter Daniel Rittenauer sein. Er hat sich in seiner Promotion bereits intensiv mit dem Amt des Bayerischen Ministerpräsidenten in der NS-Zeit auseinandergesetzt.